Neuinfektionsrate bei Human Immunodeficiency Virus

Neuinfektionen gehen weiter zurück

Von Tobias Lemser · 2021

Bei einer Ansteckung mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV) sind Betroffene nicht mehr imstande, Infektionen und Krankheiten zu bekämpfen. Doch die Erkrankung ist längst kein Todesurteil mehr. Es stehen inzwischen Therapien zur Verfügung, die ein ganz normales Leben ohne Einschränkungen ermöglichen. Galt HIV als unheilbar, gibt es aktuell einen Fall, der anscheinend das Gegenteil beweist.

Ein Mädchen hält eine rote Schleife als Symbol für Solidarität mit HIV-Infizierten und streckt eine Faust in die Luft.
In diesem Jahr lautet das Motto des Welt-Aids-Tages: „Ungleichheiten beenden. Aids beenden. Pandemie beenden". Foto: iStock / ASphotowed

Für die Fans der britischen Rockband Queen ist Freddie Mercurys Tod, welcher sich am vergangenen Mittwoch bereits zum 30. Mal jährte, nach wie vor unfassbar. Erst einen Tag vor seinem Tod gab der Musiker seine Aids-Erkrankung bekannt. Bis zum Schluss hatte er auf Heilung gehofft und dies, obwohl eine HIV-Infektion damals fast immer einen tödlichen Verlauf nahm.  Problem: Zehn Jahre nachdem die US-Gesundheitsbehörde CDC erstmals im Juni 1981 über diese neue mysteriöse Infektionskrankheit berichtete, war noch immer zu wenig darüber bekannt. Seither sind weltweit rund 34,7 Millionen Menschen an den Komplikationen durch Aids gestorben.

Neuinfektionsrate bei Human Immunodeficiency Virus: Erfolge durch Tests und frühe Therapien

Während die geschätzte Gesamtzahl der HIV-Neuinfektionen Mitte der 1980er-Jahre in Deutschland bei rund 5.500 Fällen lag, sank sie inzwischen auf fast ein Drittel. Für das Jahr 2020 geht das Robert Koch-Institut (RKI) von 2.000 HIV-Neuinfektionen aus – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr, in dem sich schätzungsweise 2.300 Menschen mit HIV infiziert haben. Zurückzuführen sind diese Zahlen auch auf den Corona-Lockdown und den damit einhergehenden Rückgang an Sexualpartnern. Aber auch unabhängig von der pandemischen Lage ist eine positive Tendenz spürbar. Im Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt sich, dass die deutlich ausgebauten zielgruppenspezifischen Testangebote und ein früherer Behandlungsbeginn Erfolge gebracht haben. Insbesondere bei der wichtigsten Betroffenengruppe – Männer, die Sex mit Männern haben – ist die Zahl der Neuinfektionen deutlich gesunken, was auch an der Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz PrEP, liegt. Sie hilft HIV-negativen Menschen, sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Derzeit leben hierzulande rund 91.400 Menschen mit einer HIV-Infektion, darunter 14,6 Prozent Frauen.

Therapie ermöglicht normale Lebenserwartung

Problem: Bei etwa 9.500 Menschen ist die HIV-Infektion noch nicht diagnostiziert. Und genau hier gilt es weiter anzusetzen. Denn feststeht: Wer HIV-positiv ist, und sich frühzeitig einer Behandlung unterzieht und die Medikamente regelmäßig einnimmt, kann nicht nur das Virus in der Regel nicht mehr weitergeben, sondern hat zudem eine ganz normale Lebenserwartung – bei guter Lebensqualität. Dank sei der antiretroviralen Therapie, bei der mehrere antiretrovirale Wirkstoffe miteinander kombiniert werden, um die Vermehrung von HIV im Körper zu unterdrücken, sodass die Erkrankung nicht ausbricht. Seit 2001 konnten so schätzungsweise 16,2 Millionen Todesfälle vermieden werden. Vollständig entfernen ließ sich das Virus dennoch nicht, oder doch?

Mögliche Heilung

Zumindest gibt es immer wieder vereinzelt Meldungen weltweit, wie jüngst über eine Frau aus Argentinien, deren Körper die Bekämpfung einer HIV-Infektion gelang. Erstmals diagnostiziert wurde die HIV-Infektion bei ihr im Jahr 2013. Nur sechs Monate lang hatte die Patientin während ihrer Schwangerschaft eine antiretrovirale Therapie erhalten. Bleiben normalerweise HI-Viren nach der Infektion lebenslang im Körper und können nur therapeutisch in Schach gehalten werden, um das Auslösen von Aids zu verhindern, lag der Fall bei der sogenannten „Esperanza-Patientin“ anders. Denn laut der Studie einer Forschungsgruppe um Xu Yu von der Harvard Medical School in Boston ließen sich bei der Betroffenen, die nach ihrem Heimatort in Argentinien benannt wurde, nur noch bruchstückhafter genetischer Code von HI-Viren feststellen. Während die US-Wissenschaftler noch vorsichtig sind und das Fehlen von Beweisen für intakte HIV-1-Proviren in einer großen Anzahl von Zellen nicht 100-prozentig für eine Heilung spräche, hält Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft, eine Heilung für möglich, wenngleich mit dem Fall keine falschen Hoffnungen geweckt werden sollten. Er rät, HIV-Patienten möglichst schnell nach der Infektion zu behandeln, bevor viele Körperreservoire mit Viruscode gefüllt seien.

Kampf gegen Stigmatisierung

Viele gute Nachrichten also, die zeigen, dass eine HIV-Infektion heute kein Todesurteil mehr sein muss. Dennoch hat sie ihren Schrecken nach wie vor nicht verloren. Auch ist Stigmatisierung für viele Betroffene, sei es beim Zahnarzt, wo HIV-Positive mancherorts nur bedingt behandelt werden, noch immer ein Thema. Zu groß ist die Angst vor der Ansteckungsgefahr. Laut einer Umfrage der Deutschen Aidshilfe erlebt gut die Hälfte der HIV-Positiven Diskriminierung – sei es in Form von Beleidigung, Klatsch und Tratsch oder sogar tätlichen Angriffen. Folge: Viele Betroffene geben ihre Erkrankung nicht preis, wie damals Freddie Mercury, und ziehen sich zurück. Umso wichtiger ist es, HIV nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – auch in den Entwicklungsländern – wieder mehr ins Zentrum zu rücken, damit das im Juni gesteckte Ziel der UN-Vollversammlung, HIV/Aids bis 2030 als Gesundheitsgefahr zu eliminieren, auch verwirklicht werden kann.

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