Freiheit und Selbstbestimmung

Prüfender Neuanfang statt Krise

Von Nadine Effert · 2023

Die Jahre 50+ versprechen ganz neue Perspektiven – wenn man sich dem neuen Lebensabschnitt öffnet und dessen Herausforderungen annimmt. Zudem wird die Schere zwischen tatsächlichem und gefühltem Alter immer größer. Doch sind Freiheit und Selbstbestimmung bis ins hohe Alter keineswegs Selbstläufer.

Ein Mann hebt seine Frau hoch, während beide lachen.
Auch die Freude am Leben wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Foto: iStock / Diamond Dogs

Wie brachte es einst der deutsche Aphoristiker Werner Mitsch (1936–2009) auf den Punkt: „Es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.“ Das Wie verbinden viele Menschen mit den Attributen gesund und fit. Klar, wer möchte nicht im Alter möglichst frei von Krankheiten und kognitiven Beeinträchtigungen den letzten Lebensabschnitt genießen? Als „alt“ bezeichnet zu werden steht hingegen nicht auf der Wunschliste – egal, ob man 50, 60 oder 70 Jahre auf dem Buckel hat. Lieber sagen wir über uns selbst mit einem Augenzwinkern: „Ich bin nicht mehr die oder der Jüngste“ – anstatt: „Ich bin alt.“ 

Hin zur alterslosen Gesellschaft?

Auffällig ist, dass heutzutage auch in der Öffentlichkeit die Verwendung des Begriffs vermieden wird. Von „Best oder Silver-Ager“, „Smart Seniors“ oder der „Generation 50+“ ist da die Rede. Was sind die Gründe dafür? Zum einen ist es sicherlich das Bild in unseren Köpfen, das mit einer Zunahme gesundheitlicher Beschwerden im Alter einhergeht. Zum anderen entwickeln wir uns, wenn auch langsam, immer mehr hin zu einer alterslosen Gesellschaft, in der die über 50-Jährigen ihre Entscheidungen aufgrund individueller Bedürfnisse und Wünsche treffen – und nicht aufgrund ihres Geburtsjahres, das in ihrem Personalausweis steht. Sie fühlen sich länger jung und rebellieren immer öfter gegen traditionelle Altersstereotypen. Mit 50 raus aus dem sicheren Angestelltenjob, rein in die Selbstständigkeit. Mit 60 den Traum vom Eigenheim verwirklichen. Mit 70 rund um den Globus reisen. Warum nicht? 

Das Modell des sogenannten Rebel Ageing findet denn auch am meisten Anklang in der Studie „Digital Ageing: Unterwegs in die alterslose Gesellschaft“ des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI), in der insgesamt vier Zukunftsszenarien des Alters ermittelt worden sind. Das passt auch zu dem Ergebnis, dass sich die 60- bis 70-Jährigen im Durchschnitt zwölf Jahre jünger als ihr biologisches Alter fühlen. „Die Biografien der Zukunft werden keinen vorgespurten Pfaden mehr folgen, sondern viele neue Verzweigungen aufweisen, an denen sich Menschen nochmals entscheiden müssen, wie sie ihr Leben gestalten wollen“, heißt es in der GDI-Studie. Das bedeute viel mehr Selbstverantwortung des Einzelnen. Jeder Knotenpunkt, der eine biografische Neuausrichtung ermögliche, reiße uns zwar aus unserer Komfortzone, biete aber auch Wachstumspotenzial.

Mit Freiheit und Selbstbestimmung Fit bis ins hohe Alter

Das Realisieren von privaten und beruflichen Wünschen ist längst nicht mehr eine Frage des Alters, aber eine des individuellen Gesundheitszustands. Bis ins hohe Alter geistig und körperlich fit zu sein gelingt nur den wenigsten Menschen. Viele körperliche Beschwerden, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Gebrechlichkeit, ließen sich jedoch durch präventive Maßnahmen hinauszögern oder bestenfalls sogar verhindern. Unser Lebensstil beeinflusst nämlich maßgeblich, wie schnell unsere Zellen altern. Ernährung, Suchtverhalten, Stressmanagement, Schlaf sowie ausreichend sportliche Ertüchtigung sind dabei relevante Faktoren. Fehlt etwa Bewegung, sind Skelett, Muskulatur und innere Organe nicht mehr in der Lage, sich ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Die Folge: Der Körper degeneriert und erholt sich schwerer von Belastungen. Zwar kann er ab dem 60. Lebensjahr vieles Versäumte nicht mehr aufholen, für sportliche Betätigung ist es jedoch fast nie zu spät. Das beweist zum Beispiel die 82-jährige Fitness-Influencerin und TikTok-Star Erika Rischko, die achteinhalb Minuten im Unterarmstütz bleiben kann und erst im Alter von 55 Jahren zum Sport gefunden hat. Doch Achtung: Wer neu damit beginnt, sollte sich sportmedizinischen Rat einholen, um feststellen zu lassen, welche Sportarten infrage kommen und wo die persönliche Belastungsgrenze liegt. Dass Radfahren, Schwimmen und Co. biologisch jünger machen, belegt eine im November 2022 veröffentlichte Studie der University of Michigan. Sie konnte erstmals nachweisen, dass es eine Korrelation zwischen Muskelschwäche und einem beschleunigten biologischen Alter beziehungsweise der Entwicklung altersbedingter Krankheiten, wie etwa Diabetes mellitus, Alzheimer und Krebs, gibt. Studienleiter Mark Peterson vergleicht einen Mangel an Muskelstärke, die in der Studie anhand der Griffstärke mittels DNA-Methylierung ermittelt worden ist, sogar mit einem der „Top-Killer“ in der westlichen Welt: „Wir wissen zum Beispiel, dass Rauchen die Sterblichkeit erhöht und eine Vielzahl von Krankheiten auslöst. Aber jetzt wissen wir, dass Muskelschwäche das neue Rauchen sein könnte.“

Vorsorgen ist das A und O

Heute schon an morgen denken – diese Devise gilt nicht nur in puncto Gesundheit, wenn es darum geht, mit einem gesunden Lebensstil und der Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen möglichst lange im Alter fit zu bleiben. Die Tatsache, dass wir im Idealfall – auch dank der medizinischen Fortschritte – lange leben, erfordert frühzeitige Entscheidungen. So gehört mit Anfang 50 die Altersvorsorge auf den Prüfstand. Dann bleiben meist noch 13 bis 17 Jahre zum Schließen möglicher Vorsorgelücken. Neben der finanziellen Absicherung fürs Alter ist auch die Vorsorge mit Blick auf den eigenen Tod – Stichwörter: Testament, Patientenverfügung und Bestattung – nichts, was auf die lange Bank geschoben werden sollte. In der FriedWald-„Jenseitsstudie 2020“ gaben 78 Prozent aller Befragten im Alter von 55 Jahren und älter an, sich zumindest gelegentlich Gedanken über den eigenen Tod zu machen. Heute ist es den meisten Menschen ein zentrales Anliegen, dass Angehörige und Freunde nach dem eigenen Tod möglichst schnell wieder Lebensfreude erlangen und keine finanziellen oder langfristig emotionalen Belastungen mit der Bestattung einhergehen. Dafür müsste Vorsorge getroffen werden. Allerdings geben 65 Prozent der Befragten der Generation X (1965 bis 1979 Geborene) an, noch keine Vorkehrungen getroffen zu haben. 

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