Autoimmunerkrankungen

Ungeordnete Abwehrreaktion

Von Tobias Lemser · 2023

Die Ursache für Autoimmunerkrankungen sind nicht ein einzelnen Erreger, sondern viele Auslöser. Welche sind das und welche Auswirkung hat eine Corona-Erkrankung?

Drei Gummienten im Wasser
Weichmacher in Plastik stehen unter Verdacht, die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis auszulösen. Foto: iStock / TKphotography64

Dass Autoimmunerkrankungen in der Reihe der verschiedenen Erkrankungsgruppen eine untergeordnete Position einnehmen, ist längst überholt. Nicht nur gefühlt nimmt deren Häufigkeit zu, auch aktuellste Zahlen belegen diese Tendenz: Im Jahr 2018 waren 2,9 Millionen Versicherte von einer Autoimmunerkrankung betroffen – ein Zuwachs von etwa 500.000 im Vergleich zum Jahr 2012. Damit nehmen Autoimmunerkrankungen nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen bezüglich der  Häufigkeit den dritten Rang ein.

Lebensstil als Trigger

Doch wie entstehen diese überhaupt? Zentral ist eine Störung im Immunsystem, welche dazu führt, dass die Toleranz gegenüber körpereigenen Gewebestrukturen schwindet. Ist das Immunsystem intakt, ist es in der Lage, den Menschen vor Viren, Bakterien, Parasiten und anderen Fremdstoffen zu schützen. Bei einer Autoimmunerkrankung kann das Immunsystem nicht mehr zwischen fremden und eigenen Stoffen unterscheiden, sodass es gesundes körpereigenes Gewebe attackiert.

Ausschlaggebend ist vielfach die genetische Veranlagung. Bekannt sind familiäre Häufungen bei Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder multipler Sklerose. Aber auch Umweltfaktoren stehen unter Verdacht, die Immunabwehr überzustrapazieren. Weichmacher in Plastik könnten etwa die Schilddrüsenkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis auslösen. Nicht zu vergessen der Lebensstil: Da die Darmflora das Immunsystem maßgeblich beeinflusst, erhöht eine ungesunde Ernährung das Risiko für eine Autoimmunerkrankung. Studien zeigen, dass ein übermäßiger Konsum von Zucker für proinflammatorische Effekte verantwortlich ist und somit die Entstehung von Autoimmunkrankheiten begünstigt.

Studie über Zusammenhänge von Autoimmunerkrankungen mit Corona

Auch Forschende der TU Dresden haben in einer im Februar veröffentlichten Studie diese Erkrankungen ins Visier genommen. Sie stellten fest, dass in allen Alters- und Geschlechtsgruppen als Spätfolge einer Corona-Infektion Autoimmunkrankheiten deutlich häufiger auftraten. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, analysierten sie die Daten von gesetzlich Krankenversicherten und verglichen sie mit der dreifachen Zahl an Personen ohne Covid-19. An der Untersuchung nahmen 640.000 ungeimpfte Personen teil, die im Jahr 2020 eine nachgewiesene Covid-19-Erkrankung mit dem sogenannten Corona-Wildtyp überstanden hatten – darunter 76.000 Betroffene, die bereits an einer Autoimmunerkrankung litten. Von den an Covid-19 Erkrankten, die zuvor keine Autoimmunerkrankung hatten, entwickelten anschließend 6.489 Personen erstmals eine derartige Krankheit. 

Lindern statt heilen

Um Verunsicherung unter Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu vermeiden, ordnete Prof. Dr. med. Martin Aringer von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie die Ergebnisse ein. Sein Fazit: „Es besteht kein Anlass zur besonderen Sorge vor gefährlichen Autoimmunerkrankungen, wenn jemand an Covid-19 erkrankt war.“ Die Analyse betreffe allein die gefährlicheren ursprünglichen Varianten des Corona-Virus im Jahr 2020.

Grundsätzlich sind die Heilungschancen von Autoimmunerkrankungen eher ernüchternd. Da die eigentlichen Auslöser zumeist unbekannt sind, ist keine ursächliche Therapie möglich, sodass nach wie vor erheblicher Forschungsbedarf besteht. Blutwäschen und die Gabe von Immunsuppressiva oder Biologika gehören zu den Standardtherapien, womit sich die Beschwerden oftmals immerhin erheblich lindern lassen.

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