Volkskrankheiten

Chancen nachhaltig nutzen

Von Nadine Effert · 2023

Laut einer aktuellen Studie des digitalen Versicherungsmanagers CLARK hält jede dritte Person in Deutschland es für wahrscheinlich, an einer Volkskrankheit zu erkranken. Dennoch tun die wenigsten effektiv etwas dafür, dies zu vermeiden. Zu mehr Prävention motivieren sollen in Zukunft digitale Angebote.

Grafik von Herz und Lunge eines Menschen mit Frequenzwerten.
Viele Vitalwerte wie die Herzfrequenz können heute mittels Smartphone und App gemessen werden. Foto: iStock / ArtemisDiana

18 Millionen Migräne-Betroffene, 11 Millionen Menschen mit Diabetes, mehr als 34 Millionen Deutsche schlafen schlecht, und mehr als jeder vierte Erwachsene bundesweit erfüllt im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung. Dies sind nur einige beeindruckende Beispielzahlen, die gleichwohl veranschaulichen, warum viele Krankheiten das Label Volkskrankheit, auch Zivilisationskrankheit genannt, tragen: Es handelt dabei sich um Krankheiten, die aufgrund ihrer großen Verbreitung und wirtschaftlichen Auswirkungen von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz sind. Eine einheitliche wissenschaftliche Definition gibt es nicht.

Mehr Prävention erforderlich

Volkskrankheiten breiten sich in Industrieländern wie Deutschland auf hohem Niveau aus. Das liegt zum einen an der durchschnittlichen Lebenserwartung, die seit den 1970er-Jahren kontinuierlich steigt. Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern belegt Deutschland diesbezüglich aktuell allerdings die hinteren Plätze des Rankings: bei den Männern Platz 15, bei den Frauen Platz 14 – von insgesamt 16 Rängen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, die im „European Journal of Epidemiology“ erschienen ist. Die erhöhte Sterblichkeit hierzulande gehe vor allem auf das Konto von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Dass Deutschland bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zurückliegt, ist Anlass zur Sorge, da diese heutzutage als weitgehend vermeidbar gelten“, gibt der BiB-Mortalitätsforscher Pavel Grigoriev in der dpa-Meldung zu bedenken. Er vermutet, dass zu wenig Vorsorge betrieben wird und zu späte Diagnosen erfolgreiche Behandlungen erschweren. Der Widerspruch zwischen den hohen Investitionen in die Gesundheitsversorgung und den Ergebnissen bei der Lebenserwartung sei ein Warnsignal für die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems.

Ursache für die meisten Todesfälle

Vorsorge betrifft dabei nicht nur die klassischen Vorsorgeuntersuchungen wie Gesundheits-Check-ups und Maßnahmen zur Krebs-Früherkennung. Auch mit anderen Aktivitäten können Krankheiten oder gesundheitliche Schädigungen vermieden, das Risiko der Erkrankung verringert oder ihr Auftreten verzögert werden. „Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel“, brachte es schon der bekannte Naturheilkundler und Wassertherapeut Sebastian Kneipp (1821–1897) auf den Punkt. Stichwort: vermeidbare Risikofaktoren. Fakt ist: Moderne Ernährungs- und Lebensweisen fördern Volkskrankheiten. Zu den Hauptursachen für die Entstehung von etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Krebsleiden gehören Übergewicht, Bewegungsmangel sowie erhöhter Alkohol- und Tabakkonsum. Gemäß einer „Lancet“-Studie aus 2022 geht fast jeder zweite Krebstod auf solche vermeidbaren Faktoren zurück. Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jedes Jahr erhalten laut Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD) des Robert Koch-Instituts rund eine halbe Million Menschen die Diagnose. Bei Frauen lautet sie am häufigsten Brust-, Lungen- und Darmkrebs, bei den Männern Prostata-, Darm- und Lungenkarzinom.

Stress als Risikofaktor für volkskrankheiten

Ein weiterer, oftmals unterschätzter Risikofaktor ist Stress, ausgelöst durch beispielsweise ein einschneidendes Lebensereignis oder anhaltend hohe Belastung am Arbeitsplatz. Niemand kann Stress vollkommen vermeiden. Aber Vorsicht: Chronischer Stress kann zur Gefahr für die psychische und körperliche Gesundheit werden. Dass psychosozialer Stress Ursache für Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt ist, konnte eine im April 2023 erschienene retrospektive Fall-Kohorten-Studie der irischen Galway University bestätigen. So ist die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, bei Menschen, die ihren Arbeitsplatz als besonders stressig empfinden, um etwa das Fünffache erhöht. „Selbst berichteter psychosozialer Stress hat sich als unabhängiger Risikofaktor erwiesen. Daher wird in einigen Leitlinien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein Screening auf psychosozialen Stress bei Hochrisikopatienten empfohlen“, erklären die Forschenden. Trotz der bekannten Zusammenhänge gebe es aber immer noch keine wirksamen Interventionen, die Stress und das damit verbundene Schlaganfallrisiko verringern.

Digitalisierung als Chance

Immer mehr ältere und chronisch kranke Menschen: Diese Entwicklung stellt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen, auch was die Finanzierbarkeit anbelangt. Trotz aller medizinischen, technischen und pharmakologischen Fortschritte braucht es nachhaltige Lösungen. „Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten. Ihre Vorteile zu nutzen macht Behandlung besser“, ist sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit Blick auf die von ihm im Frühjahr vorgelegte Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege sicher. Ob Telemedizin, elektronische Patientenakte (ePA) oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), die Digitalisierung bietet für die Gesundheitsversorgung große Chancen, etwa für schnellere Kommunikation und effizientere Verwaltungsabläufe sowie für die Bereitstellung von Patientendaten immer dann und dort, wo sie benötigt werden. Nicht nur bei der Versorgung, auch im Bereich Prävention steckt viel digitales Potenzial. So eröffnen sich neue Möglichkeiten, um das persönliche Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen, wie zum Beispiel mithilfe von Apps inklusive Wearables. Umfragen zeigen, dass die Deutschen mehrheitlich mehr Chancen als Risiken in der Digitalisierung von Medizin und Gesundheitswesen sehen. Wichtig ist dabei, dass digitale Gesundheitsangebote attraktiv und nutzerfreundlich gestaltet und durch unterschiedliche Dienste individuell auswählbar sein müssen.

Array
(
    [micrositeID] => 36
    [micro_portalID] => 26
    [micro_name] => Gesund und schmerzfrei leben
    [micro_image] => 4611
    [micro_user] => 1
    [micro_created] => 1474976944
    [micro_last_edit_user] => 1
    [micro_last_edit_date] => 1569404062
    [micro_cID] => 1238
    [micro_status] => 1
    [micro_cache] => 0
    [deleted] => 0
)