Nachlassplanung

„Nur ein Testament sorgt für Klarheit“

Von Im Gespräch mit Tobias Lemser · 2023

Rund ums Erben und Vererben kursieren viele Fehlinformationen – was im Erbfall zu großen Familienstreitigkeiten führen kann. Worauf es präventiv im Vorfeld besonders zu achten gilt und was man tun kann, wenn man seinen Nachlass spenden möchte, erläutert Katja Habermann, Fachanwältin für Erbrecht in Hamburg.

Ein älteres Pärchen unterzeichnet am Küchentisch ein Dokument.
Der Letzte Wille muss handschriftlich festgehalten werden. Foto: iStock / fizkes

Frau Habermann, Erben und Vererben ist in Familien oftmals ein heikles Thema. Warum eigentlich?

Nach meiner Erfahrung geht es primär um die Frage der letzten Zuwendung und Aufmerksamkeit in einem Familiensystem. Wenn ein Testament eröffnet wird, besteht keine Möglichkeit mehr, die Person, die es errichtet hat, nach den Motiven zu fragen. Wird im Vorfeld nicht richtig kommuniziert, warum ein Kind aus den verschiedensten Gründen mehr Geld bekommt als das andere, kann dies unter Geschwistern zu erheblichen Verwerfungen führen. 

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich damit zu beschäftigen?

Sobald eine Familie gegründet wurde. Erwirbt beispielsweise eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern Eigentum, kann dies ohne vorliegendes Testament dazu führen, dass im plötzlichen Todesfall eines Elternteils zwei Minderjährige in ein Grundbuch aufgenommen werden. Soll das Eigentum später mal veräußert werden, ist das aufwendig und bedarf immer einer familiengerichtlichen Genehmigung. Grundsätzlich sollte sich also jeder Mensch darum kümmern, sobald er etwas hat, was ihm etwas bedeutet, und er nicht möchte, dass es nach den – nicht immer bekannten – gesetzlichen Vorschriften abgewickelt wird. 

 

Katja Habermann, Fachanwältin für Erbrecht in Hamburg

Und wie sieht die Realität aus?

In meiner Wahrnehmung beschäftigen sich viele Menschen erst dann damit, wenn in ihrer Umgebung etwas schiefgelaufen ist – also wenn bei Freunden im Erbfall der Nachlass durch eine ungeregelte Situation ungerecht verteilt wurde oder insgesamt durch die unterlassene Regelung höchst ungewollte Situationen aufgetreten sind.

Braucht es bestenfalls immer ein Testament?

Das ist immer eine gute Maßnahme, weil Sie damit selber gestalten können, wie Ihr Nachlass abgewickelt werden soll. Es gibt keine Situation, in der ein Testament überflüssig ist. Letztlich geht es auch darum, was passiert, wenn eine Situation eintritt, mit der ich statistisch erst einmal nicht rechne – etwa wenn Kinder vor den Eltern sterben.

Was ist notwendig, wenn ich selbst ein Testament schreiben möchte?

Es hat Gültigkeit, solange Sie alles handschriftlich verfassen und mit einer Unterschrift sowie Ort und Datum versehen. Es muss klar sein, dass Sie damit eine letztwillige Verfügung treffen wollen. Allerdings weicht die Sprache, die in Testamenten benutzt wird, von der Alltagssprache ab. Damit Sie bewirken, was Sie auch wirklich bewirken wollten, rate ich, zu einer Fachanwältin oder zu einem Fachanwalt für Erbrecht oder zu einem Notariat zu gehen. Das ist schlussendlich zeit-, nerven- und finanzenschonend. Hinterher aufzuräumen ist emotional viel anstrengender und schwieriger; in der Regel auch deutlich teurer, als vorzusorgen.

Auf welches fehlerhafte Wissen treffen Sie häufig in Ihrer Beratung?

Menschen, die keine Kinder haben und verheiratet sind, meinen, es brauche kein Testament, da die Partnerin oder der Partner automatisch alles erbt, sobald eine Person verstirbt. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht das jedoch anders. Denn der Stamm der Familie desjenigen, der verstirbt, bekommt ebenfalls einen Anteil. So kann es sein, dass auf einmal ein Schwager im Grundbuch eingetragen ist. Hier gilt es dringend, Vorsorge zu treffen. 

Wann raten Sie zu einer Vorsorgevollmacht?

Letztendlich immer! Erleiden Menschen – egal, ob jung oder alt – einen Unfall, kann es sein, dass sie zumindest vorübergehend nicht geschäftsfähig sind. In diesem Fall muss jemand anderes für sie Entscheidungen treffen. Müssen etwa Umschuldungen bei Immobilieneigentum vorgenommen werden, braucht es eine notariell errichtete Vorsorgevollmacht. 

Was ist seit Januar 2023 diesbezüglich neu?

Der Gesetzgeber hat anerkannt, dass bei Ehegatten eine andere Situation vorliegt. Vorher war es so, dass sie wie zwei Fremde behandelt wurden. Jetzt ist es so, dass die Ehegatten füreinander – ohne das Betreuungsgericht anzurufen – die grundlegenden gesundheitlichen Entscheidungen als Notvertreterrecht für die Dauer von drei Monaten treffen können. 

Was muss ich in puncto Erbschaftsteuer wissen?

Es gibt bestimmte Freibeträge für nahe Verwandte. Je niedriger der Verwandtschaftsgrad, desto höher ist der Freibetrag. Für alle, die sehr weit entfernt sind, wie auch Freunde oder Bekannte, liegt dieser nur bei 20.000 Euro. Grundsätzlich ist es möglich, auf seine Kinder lebzeitig alle zehn Jahre bis zu 400.000 Euro steuerfrei zu übertragen. Es besteht aber auch die Option, das Geld einer gemeinnützigen Stiftung oder einem Verein steuerfrei zukommen zu lassen. 

Was gilt es bei der Nachlassspende zu beachten?

Man sollte die Organisation oder Stiftung vorher konkret bestimmen, damit das Geld auch tatsächlich dort ankommt. Zudem ist genau zu bezeichnen, ob diese Organisation den gesamten Nachlass oder nur einen Teilbetrag bekommen soll. Die gemeinnützigen Organisationen haben in der Regel auch professionelle Nachlassabwicklungsteams, sodass die Zuwendung in gute Hände kommt. 

Haben Sie abschließend noch einen ultimativen Tipp?

Ein Testament soll errichtet werden, damit eine Vorsorge für alle getroffen wird, die man liebhat. Früh handeln und das Testament beim Nachlassgericht hinterlegen ist ein guter Rat. So wird es auf jeden Fall gefunden, und Sie können ruhig weiterleben und das Leben genießen – wissend, die Liebsten versorgt und selbst über den Nachlass bestimmt zu haben.

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