Erkrankungen der Lunge

Künstliche Intelligenz für die Lunge

Von Nadine Effert · 2024

Lungenerkrankungen sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Forschende untersuchen derzeit, wie Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden kann, um große Datenmengen zu analysieren und Muster zu finden, die zu neuen Erkenntnissen zu Lungen- und Atemwegskrankheiten sowie zur Verbesserung von Diagnosen führen.

Virtuelle Bilder von Lunge und anderen Körperteilen werden von einer Person bewertet
Neue Technologien kommen im Kampf gegen Lungenerkrankungen immer häufiger zum Einsatz. Foto: iStock/iStock / greenbutterfly

Kaum zu glauben: Rund 20.000 Atemzüge nehmen wir jeden Tag und saugen dabei bis zu 12.000 Liter Luft ein. In den feinen Verästelungen der Lunge erledigen rund 300 Millionen winzige Lungenbläschen (Alveolen) einen wichtigen Job: den Gasaustausch. Heißt: Sauerstoff rein, Kohlendioxid raus. Das aus zwei Lungenflügeln bestehende Organ verfügt zudem über ein ausgeklügeltes Selbstreinigungssystem und Zellen der Immunabwehr, die Eindringlinge in der Gestalt von Krankheitserregern bekämpfen. Doch nicht immer gelingt die Abwehr von Viren, Bakterien, Schadstoffen & Co. Die Folge sind Lungenkrankheiten. Dazu gehören insbesondere Infektionskrankheiten wie akute Bronchitis und Lungenentzündung, chronische Lungenerkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Asthma bronchiale und Lungenfibrose sowie als maligne Erkrankung Lungenkrebs. Laut dem „Weißbuch Lunge 2023“ nimmt die Häufigkeit zu: Asthma in den vergangenen Jahren um 17 Prozent, COPD um 8 Prozent, Lungenkrebs um 33 Prozent und Lungenembolien um 71 Prozent.

Husten: oftmals unterschätzt

Wie bei allen Krankheiten gilt die Devise: Je früher eine Erkrankung der Lunge entdeckt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Symptome wie etwa Husten, Atemnot oder zäher Schleim sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden und ärztlich abgeklärt werden. Chronischer Husten mit einer Dauer von mehr als acht Wochen ist eines der häufigsten Symptome in der hausärztlichen Versorgung, wird aber nicht selten unterschätzt. „In der Alltagsversorgung ist oftmals zu beobachten, dass chronischer Husten von der Patientin oder vom Patienten als ‚normal‘ abgetan wird und dann in der Folge in der Sprechstunde nicht ernst genommen wird“, warnt Dr. med. Thomas Hering, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in Berlin. Das Problem: Informationen über das Symptom und die Belastung seien jedoch fast ausschließlich über Patientenaussagen und somit rein subjektive Wahrnehmungen zu erhalten. Doch das könnte sich in Zukunft dank Künstlicher Intelligenz (KI) ändern. Der Facharzt hat einen KI-gestützten Hustendetektor entwickelt, von dem insbesondere Menschen mit COPD, deren Leitsymptom Husten ist, profitieren sollen.

Eine Frau hustet
Anhaltender Husten sollte ärztlich untersucht werden. Foto: iStock / RollingCamera

Smartes Hustenmonitoring 

Bekannt ist, dass ein zunehmender Husten ein Indiz für eine deutliche Verschlimmerung des Krankheitsverlaufs sein kann. Allerdings weisen Fachleute darauf hin, dass die subjektive Hustenaktivität nicht verlässlich sei, da Patientinnen und Patienten die Zunahme nicht zwangsläufig merken. Mithilfe des KI-gestützten Gerätes, das im Haushalt von COPD-Erkrankten platziert wird und Hustenereignisse registriert, sollen in Zukunft präventive Therapiestrategien besser greifen können, indem eine drohende Verschlimmerung der Symptome frühzeitig erkannt wird. Im Idealfall wird dadurch die Prognose der Erkrankung verbessert. 

Erkrankungen der Lunge: KI-gestützte Diagnostik

In KI steckt viel Potenzial: So hilft die Technologie bereits heute zum Beispiel Ärztinnen und Ärzten bei Röntgenuntersuchungen der Lunge, die häufigsten Pathologien – darunter auch COVID-19 – zu erkennen. Und Forschende von Helmholtz Munich und ein internationales Team haben mithilfe von KI den „Human Lung Cell Atlas“, den ersten Einzelzell-Atlas eines großen Organs, entwickelt. „Das ist die erste ganzheitliche Studie, um gesunde und erkrankte Lungen zu vergleichen. Wir konnten mit unserer Studie nicht nur das Vorhandensein einer Lungenfibrose bei COVID-19 darlegen, sondern auch identifizieren und definieren, welcher gemeinsame Zellzustand zwischen Lungenfibrose-, COVID-19- und Lungenkrebspatienten zu finden ist“, erklärt Professor Martijn Nawijn vom University Medical Center Groningen. Die Entdeckung dieser gemeinsamen krankheitsassoziierten Zellen eröffne eine völlig neue Sichtweise auf Lungenkrankheiten. „So können neue Behandlungsziele entstehen, und es können neue Biomarker festgelegt werden, an denen man die Wirksamkeit dieser Behandlungen ablesen kann.“ 

Screening geplant

Grundsätzlich gilt: Rauchen ist Gift für die Lunge. Acht von zehn an COPD erkrankten Menschen sind Raucher. Auch Lungenkrebs wäre ohne Tabakkonsum eine Seltenheit. Die Realität sieht anders aus: Etwa 57.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Lungenkrebs. Noch immer sterben rund 45.000 Deutsche jährlich daran, weil der Tumor zu spät erkannt wird. Das soll sich in naher Zukunft ändern – durch ein Lungenkrebs-Screening als flächendeckend organisierte Vorsorgeuntersuchung für Risikogruppen, das vor allem das Sterberisiko für langjährige Rauchende deutlich senken soll. „Die Lungenkrebsfrüherkennung im Rahmen eines gut strukturierten Screening-Programms ist eine der wichtigsten Empfehlungen der vergangenen zehn Jahre im Bereich Lungenkrebs“, betont Professor Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „In diese organisierten Vorsorgeuntersuchungen müssen aber auch verpflichtend Programme zur Rauchentwöhnung eingebettet werden, da deren Zusatznutzen wissenschaftlich klar belegt ist.“ 

Verbesserte Lungenkrebsdiagnose

Obwohl die Niedrigdosis-Computertomografie (CT) dazu geeignet ist, Lungenkrebs frühzeitig zu erkennen, ergeben sich auch Nachteile. So besteht zum Beispiel das Risiko einer Fehl- oder Überdiagnose. Auch hier könnte KI ihre Dienste erweisen: Laut einer Metaanalyse, die im Oktober 2023 in der „Public Library of Science“ (PLOS) veröffentlicht worden ist, ist eine KI-unterstützte CT für die Erkennung von Lungenkrebs mit einer hohen diagnostischen Genauigkeit assoziiert. Sensitivität als auch Spezifität betrugen 87 Prozent. Der Einsatz des Verfahrens könnte, so die Autoren, daher geeignet sein, um zum Beispiel mangelnde ärztliche Erfahrung auszugleichen. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, die Forschung voranzutreiben und sich gegenüber neuen Technologien zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie zu öffnen. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten zügig und effektiv von Forschungserfolgen profitieren – für mehr Lebensqualität und weniger Todesfälle.

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