Ansteckungsprophylaxe

„Die PrEP gibt mir mehr Selbstbestimmung“

Von Tobias Lemser · 2022

Portrait: Emmanuel Danan
Emmanuel Danan

Die Prä-Expositions-Prophylaxe, kurz PrEP, ist eine Safer-Sex-Methode, mit der sich HIV-Negative vor einer Ansteckung mit HIV schützen können. Der 36-jährige Emmanuel Danan aus Berlin berichtet, wie die PrEP sein Sexualleben verändert hat und wem der Orchester-Musiker die Pille empfiehlt.

Herr Danan, seit 2019 gibt es die PrEP auf Rezept. Wie kann man sich diese medikamentöse Präventionstherapie vorstellen?

Die PrEP ist ein wenig mit der Antibabypille vergleichbar, nur mit dem Unterschied, dass wir Schwule uns damit vor HIV schützen. Bedeutet: Jeden Morgen nehme ich eine Pille und muss mir am Abend – oder wann auch immer – keine Sorgen um eine Ansteckung mit dem HI-Virus machen. Der Vorteil ist, dass ich mich nicht im Eifer des Gefechts kontrollieren muss, sondern vorplanen kann. Hinzu kommt, nicht mehr mit meinem Sexpartner über die Nutzung eines Kondoms verhandeln zu müssen. Ich lebe jetzt selbstbestimmt. Es reicht jedoch auch, die PrEP nur dann zu nehmen, wenn man im Voraus genau weiß, wann man Sex hat – ob auf einer bestimmten Party oder im Urlaub. Man nimmt in diesem Fall die Pille zwischen 24 und zwei Stunden vor dem Sex und dann bis zu zwei Tage nach dem letzten Risikokontakt.

Was war Ihre Hauptmotivation zur PrEP zu greifen?

Ich wollte die Angst vor HIV einfach endlich loswerden. Ich bin in den 1990er-Jahren aufgewachsen und hatte da bereits Angst vor Aids, bevor ich überhaupt eine Erektion bekam. Diese Angst war sehr tief verankert und hat ganz generell die schwule Sexualität geformt. Meinen schwulen Mitmenschen ging es ähnlich. Hinzu kam, dass ich ein paar Unfälle mit Kondomen hatte und ich mir immer drei Monate lang – bis ein Test aussagekräftig war – Sorgen gemacht habe. Der Wunsch nach Sex ohne Kondom wurde immer größer. Anstatt mich anzustecken und dann jeden Tag ohnehin täglich in der Therapie Medikamente nehmen zu müssen, bevorzuge ich nun die Prophylaxe.

Wie haben Sie reagiert, als die PrEP endlich auf den Markt kam?

Ich habe seit 2016 dafür gekämpft, dass diese Pille von der Krankenkasse bezahlt wird. Als es dann soweit war, spürte ich natürlich eine große Freude, dass es geklappt hat.

Welche Auswirkungen hat die Präventionstherapie auf Ihr Sexualleben?

Ich lebe jetzt zum ersten Mal in meinem Leben in einer festen Partnerschaft – allerdings nicht monogam, genauso wie mein Partner. Da wir beide die PrEP nehmen, müssen wir uns jedoch keine Gedanken machen, wenn wir hin und wieder anderweitig sexuell aktiv sind.

Und wie sehen Sie die Gefahr durch andere Geschlechtskrankheiten?

Da ich durch die PrEP ohnehin alle drei Monate für ein neues Rezept zum Arzt gehen muss, werde ich bei diesen Untersuchungen immer auch auf andere Infektionen getestet – viel häufiger als jene, die sich nur hin und wieder oder gar nicht checken lassen. Deshalb nehme ich Geschlechtskrankheiten genauso in Kauf, wie eine Erkältung, die ich mir in der Bahn einfange. Infiziere ich mich etwa mit Chlamydien oder Syphilis, nehme ich ein Antibiotikum und bin dann nach zwei Wochen wieder gesund.

Wird die PrEP zum Kondomersatz?

Bei schwulen Männern würde ich sagen, ja! Ich finde dies auch gut, weil es uns mehr natürliche Sexualität als mit einem Kondom erlaubt. Hinzu kommt, dass es mit der PrEP sogar sicherer ist, sich vor HIV zu schützen als mit einem Kondom.

Welche Möglichkeiten gibt es, an das Medikament zu kommen?

Man geht zum Arzt und kommuniziert seinen Wunsch. Es werden dann Tests gemacht – vor allem um festzustellen, dass man HIV-negativ ist. Wenn dies sichergestellt ist, bekommt man die PrEP für einen Monat. Anschließend wird erneut kontrolliert, ob alles okay ist. Haben die Nieren keine Probleme mit der Tablette, bekommt man sie alle drei Monate auf Rezept.

Eine Nahaufnahme von zwei Fingern, die eine PrEP-Pille in die Kamera halten.
Eine kleine Pille mit großer Wirkung. Foto: iStock / nito100

Wem würden Sie die PrEP empfehlen?

Im Prinzip allen schwulen Männern mit wechselnden Geschlechtspartnern und auch allen anderen, die nicht monogam leben – vielleicht sogar erst einmal nur für eine kurze Periode, um zu sehen, was dies mit der Psyche macht und welche Befreiung dies im Umgang mit Sex bringen kann.

Gibt es Nebenwirkungen?

Es können leichte Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Dies passiert jedoch nur bei zehn Prozent der Betroffenen und verschwindet nach zwei Wochen zumeist wieder. Ich selbst hatte keinerlei Nebenwirkungen.

Sind Sie durch die PrEP ganz frei beim Sex oder bleiben Restbedenken, sich doch mit HIV anzustecken?

Ich habe null Restbedenken. Die Pille hat nicht nur meine Sexualität, sondern mich auch von einem konstanten Zustand der Angst befreit. Die Gedanken, dass doch ein paar Tropfen Sperma an die falsche Stelle gelangt sein und mich infiziert haben könnten, gibt es nicht mehr. Sie entfallen dank der PrEP komplett.

Schon gewusst?

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt, dass es deutschlandweit im Juni 2020 zwischen 15.600 und 22.300 PrEP-Nutzende gab. Eine Studie zeigt zudem, dass 71 Prozent der Anwender die PrEP täglich einnehmen, der Rest verfolge ein anlassbezogenes Einnahme-Schema. Laut RKI greifen insbesondere Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, zur PrEP.

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