Gürtelrose

„Die Komplikationen werden häufig unterschätzt"

Von Nadine Effert · 2025

Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 300.000 Menschen an Gürtelrose. Die Folgeerkrankung der Windpocken wird oftmals unterschätzt vor allem, was potenzielle Schmerzen nach Abheilen der Hautsymptome anbelangt. Was damit gemeint ist und wie man sich schützen kann, erklärt PD Dr. med. Michael Überall, Direktor des Instituts für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie (IFNAP) und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V.

Eine Nahaufnahme einer Hautstelle, die von Gürtelrose betroffen ist.
Foto: iStock / Suriyawut Suriya

Herr Dr. Überall, was ist ist eine Gürtelrose, und wodurch wird die Erkrankung verursacht?

Gürtelrose, medizinisch Herpes Zoster genannt, ist eine Erkrankung, die Jahre bis Jahrzehnte infolge einer Windpockenerkrankung auftreten kann – ausgelöst durch sogenannte Varizella-Zoster-Viren, die sich nach der Primärinfektion lebenslang in Nervenzellen, genauer gesagt in den Hirn- und Spinalganglien, verstecken und unter bestimmten Umständen reaktiviert werden. Mehr als 95 Prozent der Menschen in Deutschland, die älter als 60 Jahre alt sind, tragen diesen DNA-basierten Erreger in sich. Bei jeder dritten Person wird das Virus aktiv und löst eine Gürtelrose aus. Wichtig zu wissen: Bei Gürtelrose handelt es sich nicht um eine Hautkrankheit, sondern eine Erkrankung, die in erster Linie das Nervensystem betrifft.

Was genau kann zu einer Reaktivierung des Virus führen?

Hauptrisikofaktor ist das Alter. Die Wahrscheinlichkeit, an Gürtelrose zu erkranken, nimmt also mit den Jahren zu – so steigt das Erkrankungsrisiko ab dem 50. Lebensjahr unabhängig vom eigenen Gesundheitszustand. Warum? Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems nimmt auf natürliche Weise ab, wodurch das Virus leichteres Spiel hat auszubrechen. Aber auch chronische Krankheiten, wie Diabetes, Rheuma, COPD oder Krebs, die Einnahme bestimmter Medikamente sowie psychischer Stress als weiterer Risikofaktor können die Immunabwehr schwächen. Auch junge Menschen können übrigens an Gürtelrose erkranken – zum Beispiel aufgrund einer Immuntherapie im Rahmen einer Krebsbehandlung, einer Corona-Infektion oder von Hormonschwankungen.

Ist eine Gürtelrose ansteckend?

Grundsätzlich kann das Varizella-Zoster-Virus bei Windpocken über eine Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen werden. Bei einer Gürtelrose ist nur die Flüssigkeit in den Bläschen ansteckend – und das auch nur für Menschen, die noch nie Windpocken hatten. Kommt eine solche Person mit dieser Flüssigkeit in Kontakt, führt die Erstansteckung nicht zu einer Gürtelrose, sondern zunächst zu Windpocken.

Welche Beschwerden weisen auf eine Gürtelrose hin?

Typisch ist ein einseitiger, gürtelförmiger Hautausschlag mit brennenden oder juckenden Bläschen – insbesondere im Bereich des Rumpfes oder im Gesicht. Eine Gürtelrose kann sich auch durch vorgeschaltete Missempfindungen bemerkbar machen. Betroffene spüren zuerst ein Jucken, Brennen oder sogar Schmerzen im später betroffenen Bereich. In der Regel klingen diese Symptome innerhalb von wenigen Wochen ab. In jedem Fall sollte bereits beim ersten Verdacht auf Gürtelrose ärztlicher Rat eingeholt werden. Denn die ursächliche Behandlung mit speziellen antiviralen Medikamenten sollte innerhalb von 72 Stunden nach Ausbruch der Krankheit eingeleitet werden, denn die aktivierten, sich schnell vermehrenden Viren verursachen früh in den Spinalganglien, also in den Nervenknoten im Rückenmark, einen Schaden. Nur so können mögliche Langzeitfolgen im Idealfall vermieden werden. Für uns Schmerzmediziner ist eine akute Zoster-Erkrankung daher immer ein Notfall. Mögliche Spätfolgen betreffen dabei nicht die Haut … Das ist richtig. Für die Betroffenen in der Regel noch belastender sind die massiven Nervenschmerzen, die über Monate oder gar Jahre anhalten können und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Diese am häufigsten auftretende Spätfolge wird Post-Zoster-Neuralgie, kurz PZN, genannt. Die Behandlung gestaltet sich komplex, da die Ursachen der Schmerzen aus einer Schädigung beziehunsgsweise Überaktivität des Nervs hervorgehen. Zum Einsatz kommen gemäß Leitlinie Antidepressiva, die verhindern, dass Schmerzsignale im Rückenmark weitergeleitet werden, und Antikonvulsiva, die Nervenzellen weniger erregbar machen, oder von außen spezielle Schmerzpflaster. 

Dr. Überall
Dr. Überall

Gibt es weitere Komplikationen?

Ja, weitere Komplikationen können Gleichgewichts-, Seh- oder Hörstörungen sein, wenn die Gürtelrose im Gesicht auftritt beziehungsweise die Viren in Nervenganglien im Gehirn reaktiviert werden. Etwa 30 Prozent der an Gürtelrose erkrankten Menschen sind von Komplikationen betroffen.

Würden Sie sagen, dass die Schmerzpro­blematik bei Gürtelrose unterschätzt wird?

Definitiv. Ich höre aus meinem Praxisalltag immer wieder Aussagen von Patientinnen und Patienten wie „Wenn mir vorher bewusst gewesen wäre, was die Erkrankung für mich bedeutet, dann …“. 

„… hätte ich mich impfen lassen.“

Richtig, die Prävention mittels Impfung ist das A und O. Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt eine Impfung gegen Gürtelrose ab 60 Jahren, für Menschen mit einer chronischen Grunderkrankung bereits ab 50 Jahren. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen. Das Vakzin ist ab 18 Jahren zugelassen, und die Impfung kann daher in Einzelfällen, etwa vor Beginn einer Tumortherapie, durchgeführt werden.

Angenommen, man hatte bereits eine Gürtelrose: Macht es Sinn, sich trotzdem impfen zu lassen?

Ja, auf jeden Fall! Denn Fakt ist, dass man an einer Gürtelrose mehrfach, sogar mit einem erhöhten Risiko, erkranken kann, da das auslösende Virus lebenslang im Körper verbleibt und wieder aktiviert werden kann. Bereits Erkrankte sind also nicht automatisch immun. Sobald der Ausschlag einer Gürtelrose abgeheilt ist, kann man laut STIKO mit einer Impfung gegen einen erneuten Gürtelroseausbruch und somit auch der Gefahr von Komplikationen vorbeugen. 

Grafik über die Etappen der Gürtelrose.

Schon gewusst?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Gürtelrose mit einem Totimpfstoff:

  • allen Personen ab 60 Jahren,
  • allen Personen ab 50 Jahren, deren Immunsystem durch Krankheit oder Behandlung geschwächt ist, und
  • allen Personen ab 50 Jahren mit Grunderkrankungen wie Diabetes, rheumatoider Arthritis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Asthma.
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