Gürtelrose

„Alle über 60 sollten sich impfen lassen“

Von Tobias Lemser · 2024

Porträt: Prof. Dr. med. Martina Prelog
Prof. Dr. med. Martina Prelog, Fach-Immunologin und Kinderärztin

Ab dem 50. Lebensjahr geht es naturgemäß mit unserem Immunsystem bergab – muss es aber nicht. Prof. Dr. med. Martina Prelog, Fach-Immunologin und Kinderärztin, erläutert, welche Herausforderungen dadurch für unseren Körper entstehen und warum es so wichtig ist, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen.

Frau Prof. Prelog, welche Faktoren können dazu führen, dass unser Immunsystem geschwächt ist?

Hormonelle Umstellungen, wie das Einsetzen der Menopause, aber auch der Lebensstil spielen eine entscheidende Rolle. Hierzu zählen zu wenig Schlaf, Mangel an Bewegung und zu viel Stress, genauso wie das Konsumieren von Alkohol und Nikotin. Ferner unterdrücken immunsuppressive Medikamente das Immunsystem, sei es bei Anwendung einer Chemotherapie oder der Gabe von Rheumamedikamenten. Nicht zuletzt können bestimmte Nahrungsmittel fehlgeleitete Entzündungen provozieren. 

Auch das Alter hat einen entscheidenden Anteil. Warum genau?

Ein Grund liegt in der Immunseneszenz, also der Alterung des Immunsystems. Diese ist bedingt durch das Schrumpfen der Thymusdrüse, ein Immunorgan, das für die Reifung der T-Zellen verantwortlich ist. Mit zunehmendem Alter wird die Thymusdrüse durch Fettgewebe ersetzt, wodurch weniger unreife T-Zellen für das Erkennen neuer Erreger zur Verfügung stehen. Zudem sehen wir auf Ebene der B-Zellen, die für die Antikörperproduktion verantwortlich sind, eine Einschränkung der Diversität und Reaktionsfähigkeit. Das Immunsystem ist dann nicht mehr in der Lage, ausreichend spezifisch zu reagieren, weshalb die Entzündungsantwort oftmals entgleist. All dies führt dazu, dass sich die passgenauen Immunantworten im Alter verschlechtern. 

Mit welchen Folgen für unsere Gesundheit?

Es kommt zu Entzündungsreaktionen, die dann sehr unspezifisch ablaufen und über das Ziel hinausschießen. Autoimmunerkrankungen nehmen zu, da das Immunsystem nicht mehr so gut zwischen eigenen und fremden Strukturen unterscheiden kann. Dadurch, dass die Immunantwort nicht mehr wie gewünscht funktioniert, können Krebszellen nicht mehr so gut durch unser Immunsystem zerstört werden. Hinzu kommen degenerative Erkrankungen des Nervensystems wie Demenz oder kardiovaskuläre Erkrankungen wie Arteriosklerose. Herpes zoster, auch Gürtelrose genannt, hat bei einem geschwächten Immunsystem ebenso leichteres Spiel auszubrechen. Hatte man als Kind Windpocken, so zieht sich das auslösende Varizella-Zoster-Virus in die Nervenzellknoten des Rückenmarks zurück und versteckt sich da vor dem Immunsystem. Wird es nicht mehr ausreichend von den Varizellen-spezifischen T-Zellen kontrolliert, bricht es aus.  

Wie groß ist hierfür die Gefahr?

Laut Robert Koch-Institut erkrankt von allen Menschen jeder Dritte im Laufe des Lebens an einer Gürtelrose. Insbesondere mit steigendem Alter erhöht sich hierfür das Risiko. 

Aber selbst wenn man sich an keine Windpocken-Erkrankung erinnern kann, ist die Gefahr gegeben. Antikörpertests zeigten, dass rund 95 Prozent aller Personen mit dieser Art Herpesviren in Kontakt waren. 

In wie vielen Fällen geht Gürtelrose mit einer postherpetischen Neuralgie, also starken Nervenschmerzen, einher?

Wenn jemand an Gürtelrose erkrankt ist, tritt in 10 bis 30 Prozent der Fälle eine postherpetische Neuralgie auf. Ältere Personen und Frauen sind besonders gefährdet. Sie neigen noch stärker zu diesen extremen Nervenschmerzen, die über Wochen und Monate anhalten und die Lebensqualität stark beeinträchtigen können. Dadurch, dass sich die Varizella-Zoster-Viren aus den Spinalganglien – das sind diese Nervenzellknoten – heraus entlang der Nervenfasern zur Hautstelle bewegen, kommt es zu einer entzündlichen Schädigung der Nervenendigungen, die diese Schmerzen verursacht.

Würden Sie allen Menschen raten, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen?

Hierzu hat die STIKO eine eindeutige Antwort: Alle Menschen über 60 sollten sich impfen lassen. Das ist die Risikogruppe für Zoster und damit assoziierte Komplikationen. Chronisch Erkrankten wird die Impfung bereits ab 50 empfohlen. Aber auch schon früher, gerade wenn immunsuppressive Medikamente verabreicht werden, welche die T-Zellen beeinträchtigen, ist eine Impfung extrem wichtig.

Welche Folgen könnte ein Impfverzicht haben? 

Neben der postherpetischen Neuralgie kann von einer Gürtelrose auch das Auge betroffen sein und erblinden, ebenso sind Hörschädigungen und Taubheit bei einer Beteiligung des Ohres möglich. Außerdem sind vor allem im ersten Jahr nach Gürtelrose die Risiken von kardiovaskulären Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall deutlich erhöht. 

Was sollte man über die Impfung wissen?

Es handelt sich um einen Totimpfstoff, der das Glykoprotein E, einen Zuckereiweißstoff von der Oberfläche des Varizella-Zoster-Virus, enthält. Er ist für das Immunsystem nichts Neues, sondern eher eine Erinnerung, indem die eigenen T-Zellen gegen Varizellen-Viren aktiviert werden. Verabreicht wird der Impfstoff in zwei Dosen, welche im Abstand von zwei bis sechs Monaten injiziert werden. Die zweite Dosis ist sehr wichtig, damit die Menge der spezifischen T-Zellen nach oben geht. Zusätzlich enthält der Impfstoff einen Wirkverstärker, ein Adjuvans, das zu einer besseren Impfantwort verhilft. 

Gibt es Nebenwirkungen?

Möglich sind Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schüttelfrost sowie Rötungen, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle – alles Beschwerden, die in der Regel nach einigen Tagen wieder abklingen.

Warum nehmen viele Menschen Gürtelrose auf die leichte Schulter?

Weil den meisten Menschen die Komplikationen nicht bekannt sind. Man muss Gürtelrose erst einmal gehabt haben, um zu sehen, wie schmerzhaft sie ist und wie problematisch die Folgeerkrankungen sind.

Impfempfehlungen bei Gürtelrose

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Gürtelrose mit einem Totimpfstoff:

- allen Personen ab 60 Jahren,

- allen Personen ab 50 Jahren, deren Immunsystem durch Krankheit oder Therapie geschwächt ist,

- allen Personen ab 50 Jahren mit Grunderkrankungen wie Diabetes, rheumatoider Arthritis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, chronischer Lungenerkrankung und Asthma.

Quelle: impfen-info.de: Gürtelrose-Impfung bei Erwachsenen

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